Die Entscheidung
Malamut saß am Frühstückstisch. Gut gelaunt griff er nach einer frischen Semmel, um sie, wie es seine Gewohnheit war, mit dem Messer in zwei Hälften zu teilen. `Halt!`, rief da die Semmel. Malamut stutzte. Eine Semmel, die sprechen konnte? Die, alle sonstige Stummheit von Semmeln überwindend, um Hilfe rief, um nicht zerschnitten zu werden? Malamut überlegte. Ließ er die Semmel unversehrt, so mußte er den Frühstückstisch hungrig verlassen. Die Semmel würde, noch in steinhartem Zustand, über ihn triumphieren. Aber war dieses `Halt!` überhaupt als Hilfeschrei zu werten? Stellte es nicht vielmehr einen in arrogantem Ton ausgesprochenen Befehl dar? Dies nämlich konnte Malamut unter gar keinen Umständen hinnehmen. Die Entscheidung war gefallen. Er setzte das Messer an und zerschnitt die Semmel. So, dachte er. Das war`s. Die Semmel aber, nun mit einer Art Maul ausgestattet, erkannte ihre Chance und fraß Malamut auf.Ernst Reyer, 2012