Ein Angeltraum

Malamut saß auf einer Kaimauer und angelte. Plötzlich schien etwas angebissen zu haben. Er holte die Leine ein. Der Haken steckte im Korken einer Flasche, die einen Zettel enthielt. Auf dem Zettel stand: „Ich sitze auf einer einsamen Insel fest. Rette mich!“ Malamut legte Flasche und Zettel beiseite und angelte weiter. Nicht lange, da zog er wieder eine Flasche aus dem Wasser. Auch diesmal war ein Zettel darin: „Worauf wartest Du? Rette mich!“ Malamut, nur mäßig amüsiert, warf die Leine wieder aus. Da! Schon wieder eine Flasche. Und natürlich mit Zettel: „Wie oft soll ich Dich eigentlich noch bitten, mich zu retten? Bist Du denn aus Stein?“ Malamut betrachtete den Horizont, schüttelte den Kopf und angelte weiter. Aber kaum hatte er die Schnur ausgeworfen, da hing auch schon etwas Schweres, Lebendiges daran. Malamut`s Herz jubelte. Ein kapitaler Fang! Mit aller Kraft holte er die Leine ein. Am Haken zappelte eine korpulente Dame im Matrosenkostüm. Sie warf sich, triefnass, wie sie war, in Malamut`s Arme. „Ich wußte ja, daß Du mich retten würdest!“ flüsterte sie mit etwas heiserer Stimme. Dann mußte sie niesen.

Soweit der Traum. Malamut wachte irritiert auf und genierte sich ein wenig. Am nächsten Tag lernte er durch Zufall Lydia C. kennen. Ohne Malamut`s Zutun wurden sie ein Paar.

Ernst Reyer, 2007